Zunächst wollte sich Boris Rogosch für seinen Podcast „Foodtalker“ auf Entdeckungsreise begeben – um verschollene Traditionsrezepte aus den Küchen Deutschlands und Nachbarländern aufzuspüren und diesen wieder eine Bühne zu geben. Doch da Gemeinschaft und gemeinsames Genießen gerade für die Heimatküche essenziell sei, mündete die Idee in einem außergewöhnlichen Pop-up: Gemeinsam mit Café-Lorenz-Inhaberin Simone Lücking und Social-Dinner-Gastgeberin Monika Fuchs wurde der OmaLiebe Lunch Club gegründet. Ein Mittagstisch mit der Vision, ursprüngliche Heimatküche wiederzuentdecken, zu erhalten und einen Raum für Austausch zwischen Generationen zu schaffen.
Dabei kochen vom 6. November bis zum 20. Dezember die „Omas“ ihre liebsten Traditionsrezepte aus aller Welt, wobei Monika Fuchs bei unserem Besuch mit deutscher Wohlfühlküche die Gäste ins Schwärmen brachte. Jeden Tag steht jeweils ein Gericht mit Salat-Beilage und Dessert zu fairen Preisen auf dem Speiseplan. Serviert in großen Schüsseln und Terrinen, steht neben guter Hausmannskost vor allem das Teilen sowie das Miteinander im Fokus – so wie damals bei Oma am Küchentisch. „Als ich die Idee dazu hatte, habe ich sofort an Monika gedacht. Sie ist das Paradebeispiel, sozusagen das Role Model“, erzählt Rogosch.
Als ich die Idee dazu hatte, habe ich sofort an Monika gedacht. Sie ist das Paradebeispiel, sozusagen das Role Model
Boris Rogosch
Früher kochte sie 16 Jahre lang für das Catering der ARD-Talkshow von Reinhold Beckmann und somit auch für Gäste wie Elton John und Angela Merkel. Heute teilt die gelernte Schneiderin auf ihrem YouTube-Kanal „Monika Fuchs kocht“ mit über 46.000 Followern ihre liebsten Rezepte. Bekannt wurde sie 2015 durch ihre bis heute bestehenden Charity Dinner, bei denen sie in ihrer Wohnung in Harvestehude 28 fremde Personen mit einem 5-Gänge-Menü bekocht und den Erlös an eine Kinderhilfsorganisation spendet.
Internationale Heimatküche zum Mittagstisch im Schanzenviertel
Schon jetzt sei die Bewerberliste lang. Professionelle Kocherfahrung ist keine Voraussetzung, lediglich ein geeignetes Rezept und die Bereitschaft, dieses für die Gäste in großen Mengen zuzubereiten. „Statt Bewerbungsschreiben gibt’s manchmal eine Tupperdose in die Hand“, so Ideengeber Rogosch. Dass es so international wird, war zunächst gar nicht geplant. Doch Interessierte mit Wurzeln aus aller Welt meldeten sich und überzeugten das Pop-up-Trio mit Gerichten wie Borschtsch, koreanischem Hähnchenragout oder serbischer Bohnensuppe. Jetzt wird mittwochs bis freitags von 12 bis 15 Uhr traditionelle Weltküche geboten, aus den Familienrezepten der Mitmachenden. Die Hobbyköchinnen – bislang nur Frauen – im Alter von 65 bis 86 Jahren werden für ihren Einsatz vergütet, können diesen aber auch an die gemeinnützige Organisation Hamburg Leuchtfeuer spenden, welche sich unter anderem für schwer kranke Menschen einsetzt. Auch eine Auszahlung in Form eines Verzehrgutscheins für das Café Lorenz ist möglich.
Selbst wenn jemand alleine kommt: Die Leute finden sich und essen zusammen
Monika Fuchs
Benannt nach dem verstorbenen Vater Lückings und mit dem charmanten Ambiente zwischen urig und retro, ist das Café Lorenz in Hamburg-Eimsbüttel die ideale Kulisse für das Pop-up. Generell geht’s hier sehr familiär und unbeschwert zu: Am ersten Tag kochte Rogoschs Mutter Ingrid Gulasch, am zweiten gab’s Frikadellen von Schwiegermutter Barbara. Und am Freitag servierte die 86-jährige Köchin, Autorin und Weltenbummlerin Monika Fuchs ihr legendäres Hühnerfrikassee.
Pop-up OmaLiebe Lunch Club in Eimsbüttel: Teilen und Essen wie an Omas Küchentisch
Im OmaLiebe Lunch Club steht der soziale Gedanke im Fokus: Fremde Menschen aus mehreren Generationen kommen zusammen und teilen sich die Speisen, aufgetischt in großen Schüsseln aus vergangenen Zeiten. Falls noch jemand hungrig bleibt, wird nachgefüllt – ganz wie bei Oma eben. „Selbst wenn jemand alleine kommt: Die Leute finden sich und essen zusammen“, freut sich Gastgeberin Fuchs, die zwischendurch herumgeht und die Gäste fragt, ob es noch Nachschlag geben darf.
So kochte Fuchs ganze 80 Portionen Hühnerfrikassee. Aber bei großem Andrang kann es dann doch mal passieren, dass die Beilagen ausgehen: „Einmal waren die Kartoffeln an einem Tisch aus. Da rief einer zum Nebentisch, habt ihr noch ein paar Kartoffeln über?‘, und dann wurde einfach geteilt“, berichtet der Podcast-Host. „Das macht den OmaLiebe Lunch Club aus. Das miteinander genießen und teilen in geselliger, entspannter Runde.“
Am letzten Tag können Gäste sich ganz nach deutscher Tradition mit Kartoffelsalat, Würstchen und Wein oder Bier auf Weihnachten einstimmen. Ob das Pop-up als Special wieder kommt oder einmal die Woche im Café Lorenz bestehen bleibt, wird sich noch zeigen. Auch in anderen Städten würde Rogosch das Projekt gerne verwirklichen. Zuspruch und Anklang ist jedenfalls da. Fest steht: Am Ende soll diese einzigartige Rezeptsammlung in einem Kochbuch festgehalten werden.