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Spendenaktion für Kultcafé

Drohende Schließung: Retten Stammgäste das Funk-Eck?

Das Funk-Eck ist seit 74 Jahren ein Ort der Gemeinschaft und für viele ein zweites Zuhause. Doch wegen finanzieller Hürden steht der Familienbetrieb kurz vor der Schließung. Ein Investor und eine aktuelle Spendenaktion könnten die Rettung sein

23. November 2024 von Alina Fedorova

Alexa Grau (l.), Tochter von Inhaberin Angelika Besch, mit der langjährigen Mitarbeiterin Vera vor dem Familienporträt (r.). /©Alina Fedorova 
Alexa Grau (l.), Tochter von Inhaberin Angelika Besch, mit der langjährigen Mitarbeiterin Vera vor dem Familienporträt (r.). /©Alina Fedorova 

Bereits seit fast 75 Jahren bewirtet die Familie Besch mit hausgemachten Speisen und herzlicher Gastfreundschaft vor allem die Nachbarschaft Harvestehudes. Auch bei unserem Besuch scheint im Kultcafé nahe der NDR-Zentrale alles rundzulaufen. Im gut besuchten Funk-Eck genießen Gäste Kaffee und Kuchen bei lockeren Gesprächen in familiärer Atmosphäre. Doch hinter der friedlichen Fassade verbergen sich schwere Zeiten: Erst Corona, dann Inflation, die erhöhte Mehrwertsteuer und hohe Nachzahlungen haben den Familienbetrieb in eine existenzielle Krise gestürzt. Mit der Unterstützung eines Investors und einer von Stammgästen initiierten Spendenkampagne hoffen Inhaberin Angelika Besch und Tochter Alexa Grau, das Funk-Eck in eine stabile Zukunft zu führen.

Funk-Eck zieht Notbremse: Reduziertes Angebot und kürzere Öffnungszeiten

Seit 1950 an 365 Tagen im Jahr geöffnet, zogen Mutter und Tochter im November die Notbremse – zu spät, nach eigener Aussage. Das beliebte ganztägige Frühstück wurde vorerst gestrichen, die Öffnungszeiten gestrafft. „Meine Mutter und ich treffen Entscheidungen sehr emotional, was für die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes nicht immer gut ist“, sagt Alexa Grau, die den Familienbetrieb in dritter Generation unterstützt. Auch alle Angestellten, allesamt langjährige Mitarbeiter, teilweise seit Jahrzehnten, sind noch alle an Bord: „Die Mitarbeiter sind genauso wie wir das Gesicht und die Seele des Cafés. Wahrscheinlich hätten wir auch im Personaleinsatz einsparen müssen, aber was soll man da machen? Würfeln?“, fragt Grau. „Am Ende des Tages waren wir wahrscheinlich nicht mutig genug, große Veränderungen zu wagen.“

Wenn für die Gastronomie nichts getan wird, wird sich das Stadtbild massiv verändern. Irgendwann wird es nur noch große Ketten geben, und das Zwischenmenschliche geht immer mehr verloren.

Alexa Grau

Im Verlauf der letzten Jahre hat sich ein Schuldenberg angehäuft, der allein nicht mehr zu bewältigen ist. Darunter sind Stromnachzahlungen in fünfstelliger Höhe. Auch die Nachwirkungen der Pandemie sowie gestiegene Kosten haben den kleinen Betrieb fast in die Insolvenz gebracht, die im November gerade so abgewendet wurde. So gehe es vielen Gastronomien: „Denen geht es allen nicht gut. Wenn für die Gastronomie nichts getan wird, wird sich das Stadtbild massiv verändern. Irgendwann wird es nur noch große Ketten geben, und das Zwischenmenschliche geht immer mehr verloren“, sagt Grau besorgt.

Das Funk-Eck in Harvestehude besteht seit fast 75 Jahren und ist mittlerweile eine Hamburger Institution /©Alina Fedorova
Das Funk-Eck in Harvestehude besteht seit fast 75 Jahren und ist mittlerweile eine Hamburger Institution /©Alina Fedorova
Für viele ist das beliebte Familienlokal ein „zweites Wohnzimmer“ /©Alina Fedorova
Für viele ist das beliebte Familienlokal ein „zweites Wohnzimmer“ /©Alina Fedorova

Stammgäste wollen das Kultcafé an der Rothenbaumchaussee retten

Doch Familie Besch schaut mittlerweile optimistisch nach vorne. Gespräche mit möglichen Investoren laufen bereits, mit Tendenz zu einer geteilten Inhaberschaft. Zusätzlich soll die Spendenaktion auf „GoFundMe“ das Café vor der Schließung bewahren. Die Stammgäste waren es, die Alexa Grau auf die Idee brachten: „Stellt doch mal einen Topf auf, wir wollen helfen“, hieß es. Derzeit befinden sich knapp über 10.000 Euro im Spendentopf, Ziel sind 50.000 Euro. Unter den Spendern sind auch prominente Stammgäste wie die Märchen-Hörspielkönigin Heikedine Körting oder Thomas Hoyer vom Hamburger Speditionsunternehmen Hoyer Group. „Die Medaille hat immer zwei Seiten“, erzählt Grau. „Einerseits ist der Druck enorm, andererseits ist es unglaublich wohltuend zu sehen, wie viel Zuspruch wir erhalten. Unsere Gäste bringen uns so viel Wärme und Unterstützung entgegen.“

Wir sind hier eine Gemeinschaft. Und diesen Zusammenhalt merken wir gerade mehr denn je.

Alexa Grau

Mittlerweile eine Hamburger Institution, sei das Funk-Eck für viele ein „zweites Zuhause“. Hier führte NDR-Legende Carlo von Tiedemann seine Interviews, Heidi Kabel übte hier ihre Rollen und Siegfried Lenz schrieb hier an seinen Manuskripten. Gerade für die älteren Menschen aus der Nachbarschaft sei das Lokal ein wichtiger sozialer Anker. Grau spricht von einem „sozialen Auftrag“: Viele kämen täglich, schaffen es sonst nicht weiter. Einem Langzeitkunden aus der Umgebung bringen die Angestellten das Mittagessen vorbei, da dieser selbst nicht mehr kommen kann. „Wir sind hier eine Gemeinschaft. Und diesen Zusammenhalt merken wir gerade mehr denn je“, berichtet Grau. Selbst der „Hood-Hund“ Charlie gehöre dazu, der regelmäßig mit Theresa von nebenan für einen selbst gebackenen Hundekeks vorbeischaut. 

 „Wir möchten weiterhin ein Ort bleiben, an dem Menschen zusammenkommen und Generationen sich begegnen“, so Grau. Wenn alles gut läuft, möchte die Mutter von zwei Kindern neue Aktionen einführen. Ideen wie Ostereiermalen mit Enkeln und Großeltern, Lebkuchenhaus-Basteln oder kleine Konzerte sollen dann frischen Wind in das Traditionslokal bringen. Doch zunächst möchte Familie Besch bei Möglichkeit mit einem Weihnachts-Umtrunk die Spender zusammenbringen und ihren Dank aussprechen. Dann gibt’s Glühwein und selbst gemachte Kekse – auch für Charlie.

Auch die zehnjährige Tochter von Alexa Grau möchte das Funk-Eck retten. Durch ihre Idee, den Dubai-Schokoladen-Trend aufzugreifen, werden im Funk-Eck sehr erfolgreich die hauseigenen Dubai-Riegel verkauft /©Alina Fedorova
Auch die zehnjährige Tochter von Alexa Grau möchte das Funk-Eck retten. Durch ihre Idee, den Dubai-Schokoladen-Trend aufzugreifen, werden im Funk-Eck sehr erfolgreich die hauseigenen Dubai-Riegel verkauft /©Alina Fedorova
Neben selbstgebackenen Keksen, Kuchen und Torten gibt es im Kultcafé an der Rothenbaumchaussee auch weihnachtliches Gebäck /©Alina Fedorova
Neben selbstgebackenen Keksen, Kuchen und Torten gibt es im Kultcafé an der Rothenbaumchaussee auch weihnachtliches Gebäck /©Alina Fedorova

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Ob Phở Bo oder Ramen: Asiatische Nudelsuppen könnte Alina Fedorova zu jeder Jahres- und Tageszeit schlürfen. Lange Zeit in der Gastro tätig, hat sie Tablett gegen Tastatur getauscht und schreibt jetzt über Hamburgs Gastro-Szene. Oft steht sie selbst hinterm Herd und kocht Rezepte aus aller Welt.