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Veganer Januar

„Veganuary steht für eine riesige globale Community“

Die gemeinnützige Organisation Veganuary motiviert zum Jahresbeginn zur veganen Ernährung. Christopher Hollmann leitet seit 2022 den Veganuary Deutschland. Im Interview spricht er über die Vorteile veganer Ernährung und wie die Organisation Teilnehmer bei der Ernährungsumstellung unterstützt

13. Dezember 2023

Der Veganuary motiviert Millionen Menschen weltweit sich vegan zu ernähren / ©Veganuary
Der Veganuary motiviert Millionen Menschen weltweit sich vegan zu ernähren / ©Veganuary

Christopher, seit wann und warum ernährst du dich vegan? 

Ich ernähre mich seit 2009 vegan. Für mich persönlich war der Auslöser damals die Fassungslosigkeit über die Zustände in der industriellen Tierhaltung. Meine Motivation ist im Laufe der vergangenen Jahre aber viel breiter geworden und auch noch einmal gewachsen: Heute denke ich vor allem daran, wie easy, spaßig, kostengünstig und lecker es ist, einfach auf vegane Produkte zu setzen. Die allermeisten Produkte in einem ausgewogenen Ernährungsplan sind ohnehin vegan, der Rest lässt sich inzwischen toll veganisieren. Das erspart dann Tieren den Weg auf meinen Teller, ist aber auch gut für die Umwelt, unser wirkungsvollster Hebel zur Bewältigung der Klimakrise und obendrein gut für mich und meine Gesundheit. Warum es also nicht mal probieren? Ich finde es – auch heute, 14 Jahre später – manchmal schwer zu glauben, welch unfassbar positive Auswirkungen eine so einfache Entscheidung für eine pflanzliche Ernährung haben kann.

Christopher Hollmann ist Director Germany vom Veganuary / ©Veganuary
Christopher Hollmann ist Director Germany vom Veganuary / ©Veganuary

Zur Person:

Christopher Hollmann setzt sich seit 2013 beruflich für eine rein pflanzliche Ernährung, Tiere und Klima ein. Er ist seit der ersten deutschsprachigen Kampagne Teil von Veganuary, 2022 hat er als Director Germany die Leitung von Veganuary Deutschland übernommen.

Der Veganuary findet 2024 zum elften Mal statt. Wie entstand die Idee zum Projekt? 

Unsere britischen Günder:innen Jane Land und Matthew Glover hatten die Idee, das Neujahrsmomentum zu nutzen, um Menschen zu motivieren, pflanzlich ins neue Jahr zu starten – es also im Januar einfach mal vegan zu versuchen. Die erste Veganuary-Kampagne stellten sie 2014 auf die Beine – damals nahmen 3300 Menschen an der Challenge teil.

Und wie ist der Stand heute?

Wir sind heute eine internationale Organisation, eine globale Bewegung, an der jedes Jahr Millionen von Menschen und Tausende Unternehmen auf der ganzen Welt teilnehmen – darunter große Einzelhandelsketten, Restaurants und Großgastronomien, globale Marken und Start-ups. Veganuary hat es geschafft, dass im Januar pflanzliche Lebensmittel überall im Fokus stehen: beim Einkauf, auf Reisen, im Restaurant, bei Lieferdiensten, in der Kantine, auf Social Media und in den Medien. Mit jeder Kampagne stärken und bedienen wir so das wachsende Bewusstsein für die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung für unseren Planeten, unsere Gesundheit und die Tiere. Außerdem bauen wir unsere Kampagne international immer weiter aus, 2024 findet sie zum Beispiel zum ersten Mal offiziell in Spanien statt. So wächst die Veganuary-Bewegung von Jahr zu Jahr. Und der Impact, den je eine Million Veganuary-Teilnehmenden haben, die sich 31 Tage lang vegan ernähren, ist groß: Sie sparen 103.840 Tonnen CO2-Äquivalente ein, was in etwa 1,2 Millionen Flügen von London nach Paris entspricht. Außerdem verbrauchen sie durch ihre Ernährungsweise 6,2 Millionen Liter weniger Wasser und bewahren 3,4 Millionen Tiere vor Leid.

Wie begleitet ihr Teilnehmer beim Veganuary?

Wer sich unter veganuary.com/mitmachen anmeldet, erhält einen 31-tägigen Newsletter, der bei einem unkomplizierten Einstieg in die pflanzliche Ernährung unterstützt: mit praktischen Alltagstipps, Hintergrundinfos, News sowie Rezepten und Tipps zu neuen Produkten. Veganuary steht für eine riesige globale Community – auf unseren Social-Media-Kanälen und mit unseren Kampagnen im laufenden Jahr unterstützen wir Teilnehmende auch über den Aktionsmonat hinaus, zum Beispiel im Sommer beim pflanzlichen Grillen.

Wie viele Menschen ernähren sich auch über den Veganuary hinaus vegan?

Unsere offiziellen Umfragen sechs Monate nach Veganuary zeigen, dass 80 Prozent der Teilnehmenden, die sich vor ihrer Anmeldung noch nicht vegan ernährten, ihren Konsum von Tierprodukten weiterhin um mindestens die Hälfte reduziert oder gänzlich umgestellt haben. Vegan bleiben 28 Prozent unserer Teilnehmenden.

Eine rein pflanzliche Ernährung ist eine der effektivsten Maßnahmen den Klimawandel aufzuhalten und Tierleid zu vermeiden

Christopher Hollmann, Director Germany

Welche Auswirkungen hat eine vegane Ernährung auf die Umwelt?

In Deutschland könnten laut einer Studie der Universität Oxford im Auftrag des Umweltbundesamts bis zu 81 Prozent der lebensmittelbedingten Treibhausgasemissionen eingespart werden. Wenn man sich bewusst macht, dass unsere Ernährung den größten negativen Einfluss auf unseren persönlichen ökologischen Fußabdruck hat, ist das ein immenses Potenzial. Eine 2023 veröffentlichte Studie bringt weitere Vorteile auf den Punkt: Im Vergleich zu einer fleischlastigen benötigt pflanzliche Ernährung im Durchschnitt etwa drei viertel weniger Land, in etwa nur halb so viel Wasser und reduziert die Belastung von Böden und Gewässer um etwa zwei drittel. Außerdem trägt sie maßgeblich zum Erhalt der Artenvielfalt bei.

Thema Tierwohl: Darf man auch bei vegetarischer Ernährung ein gutes Gewissen haben?

Eine rein pflanzliche Ernährung ist eine der effektivsten Maßnahmen den Klimawandel aufzuhalten und Tierleid zu vermeiden. Für die Herstellung von einem Liter Kuhmilch werden beispielsweise etwa 628 Liter Wasser benötigt. Bei Hafermilch sind es hingegen nur etwa 48 Liter, bei Sojamilch sogar nur 28 Liter Wasser. Viele Menschen sind außerdem überrascht, wenn sie erfahren, in welchem Maße Milch- und Fleischindustrie ineinander verflochten sind, und warum die Tiere für Milchprodukte leiden müssen. Um Milch zu produzieren, muss eine Kuh zuerst ein Kalb gebären. Und dann gibt’s nur einen Weg, damit die Kuhmilch anschließend in unseren Kühlschränken landet: Das Kalb selbst darf sie nicht bekommen. Der Start in eine pflanzliche Ernährung ist immer ein Prozess, muss niemals perfekt sein und ist für Menschen ganz unterschiedlich geschwind. Für viele finden sich aber häufig schnell Anstöße sich für pflanzliche Produkte zu entscheiden – nicht etwa aus schlechtem Gewissen, sondern eben aus gutem Grund.

Über 860 Unternehmen haben für den Veganuary geworben. Wie wichtig ist eine solche Präsenz für den Veganuary?

2023 hat sich die Anzahl der teilnehmenden Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Und sie alle sorgen als Multiplikatoren für eine immense Sichtbarkeit unserer Kampagne im Alltag der Menschen: Zu Jahresbeginn ist Veganuary überall und wird zu einem greifbaren gemeinschaftlichen Momentum, an dem alle Menschen quer durch die Gesellschaft teilhaben können – egal, ob sie gerade einkaufen, reisen oder mit der Familie ein Restaurant besuchen. Diese große Sichtbarkeit überträgt sich auch auf die Medien, wo das Thema vegane Ernährung jeden Januar zu einem Top-Thema wird. Dadurch steigt wiederum das Interesse seitens Unternehmen, Menschen und prominenten Unterstützer:innen teilzunehmen – so greift alles ineinander.

Auch die Supermärkte erweitern ihr Sortiment immer weiter um vegane Produkte. Wie schätzt du die Entwicklung ein, wo muss sich noch mehr tun?

In den letzten Jahren ist da unfassbar viel passiert und die Umsätze steigen. Aktuelle Zahlen vom Good Food Insitute Europe zeigen, dass der Umsatz mit pflanzlichen Lebensmitteln im deutschen Einzelhandel zwischen 2020 und 2022 um 42 Prozent gestiegen ist. Das Marktforschungsinstitut Nielsen fand 2022 sogar heraus, dass die Werbeausgaben deutscher Unternehmen seit dem ersten Veganuary 2020 hierzulande um 750 Prozent angestiegen sind. Die veganen Sortimente wachsen, es kommen immer mehr vegane Eigenmarken in die Regale und stehen als offensichtliche Alternativen immer häufiger auch direkt neben den tierischen Produkten. Das ist alles sehr erfreulich. Trotzdem wünschen wir uns noch mehr Mut und Geschwindigkeit, sodass der Griff zum pflanzlichen Produkt Standard werden kann. Denn wenn das pflanzliche Produkt dem tierischen in Geschmack, Preis und Nährstoffen in nichts nachsteht, braucht es dann das klimaschädlichere, ungesunde, tierische Äquivalent überhaupt?

Auch im Supermarkt werden vegane Produkte immer beliebter / ©Veganuary
Auch im Supermarkt werden vegane Produkte immer beliebter / ©Veganuary

Der Veganuary erhält in Deutschland und auch international prominente Unterstützung. Welche Personen gehören dazu?

Joaquin Phoenix, Alec Baldwin oder Paul McCartney unterstützen uns seit vielen Jahren, hinzu kommen viele weitere internationale Stars wie Alicia Silverstone, Evanna Lynch, Hannes Jaenicke, Ralf Möller – um nur einige mehr zu nennen. Wir freuen uns, dass wir jedes Jahr weitere prominente Persönlichkeiten dafür gewinnen, sich mit ihrer Stimme für pflanzliche Ernährung und damit für die Tiere und den Planeten einsetzen.

Ihr seid auch mit der Gastronomie im Austausch. Inwiefern?

Wir bieten Gastrobetrieben Unterstützung bei der Ideenfindung und Ausgestaltung ihrer Kampagnen: Auf unserer Website steht beispielsweise ein Business Toolkit zur Verfügung, wir sind mit vielen großen Restaurantketten im Gespräch, machen Vorschläge und geben Hilfestellung für erfolgreiche Veganuary-Aktionen. Besonders erfolgreiche Aktionen sind solche, die klassische Lieblingsgerichte veganisieren. Zum Beispiel haben zum Veganuary 2023 Peter Pane vegane Chicken Nuggets oder die Deutsche Bahn in ihren Bordbistros vegane Currywurst auf die Speisekarten gebracht – beides heute dauerhaft auf den Menüs.

Welches ist dein liebstes veganes Gericht?

Ich glaube, ich beantworte kaum eine Frage lieber als diese, weil ich so gern über Essen spreche – finde das gleichzeitig aber auch total schwer. Im Sommer bin ich, gerne auch unter freiem Himmel, leidenschaftlicher Pizza-Bäcker. Ich liebe dann Pizza Tonno mit Thunfisch-Alternative und Zwiebeln, oder ganz einfach Pizza mit schwarzen Oliven, Kapern und Knoblauch. Nicht weniger gern esse ich aber zum Beispiel eine einfache Spinat-Lasagne mit kräftiger Béchamelsauce, veganes Sushi mit Gurke oder Avocado oder, in letzter Zeit oft und gern, Wraps und Tacos mit variabler Gemüse-Füllung. Meine Freund:innen würden hingegen am ehesten nach meiner Spaghetti Bolognese fragen – und ich meine das von Herzen: Wer noch nicht vom Facettenreichtum einer pflanzlichen Ernährung überzeugt ist, den lade ich jederzeit gerne auf einen Teller meiner Pasta ein.

Ende Dezember 2023 erscheint euer erstes Veganuary-Kochbuch. Auf welche Rezepte darf man sich freuen?

Das Kochbuch ist ein echtes Herzensprojekt von unserem internationalen Team: Wir haben über 100 Rezepte aus aller Welt zusammengetragen, die sich perfekt für einen Einstieg in die pflanzliche Küche eignen und das ganze Jahr durch den Alltag tragen: Scrambled Tofu zum Frühstück, kräftige Ramen, ein festlicher Pilz-Nuss-Braten oder Schoko-Orangen-Cheesecake – es ist an alle Geschmäcker und Anlässe gedacht.

Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.