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Podcast-Interview

„Jetzt ist die Zeit, neu zu gründen“

Christian Rach ist Koch, Kochbuchautor und häufig im Fernsehen. Durch die Sendung „Rach, der Restauranttester“ wurde er deutschlandweit bekannt. Im Podcast-Interview spricht er über die aktuelle Situation der Gastro-Branche, die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer und sein neues Kochbuch. Ein Auszug

1. Februar 2024

Mit besten Blick: Rachs Büro befindet sich in Hafennähe / ©Johanna Zobel
Mit besten Blick: Rachs Büro befindet sich in Hafennähe / ©Johanna Zobel

Christian Rach, die Gastro kämpft mit vielen Herausforderungen. Aktuell ist die Rückkehr von sieben auf 19 Prozent Mehrwertsteuer ein großes Thema. Wie empfindest du die aktuelle Stimmung in der Branche?

Verunsichert. Wenn man die Zeitungen querliest, meldet sich jeder zu Wort. Der eine sagt: „Wir lassen die Preise so wie sie sind.“ Der andere sagt: „Wir senken die Preise.“ Wieder andere sagen: „Wir müssen die zwölf Prozent weitergeben.“ Für diejenigen, die nicht in der Gastronomie zu Hause sind, muss man erklären, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer während Corona von 19 auf sieben Prozent nie den gesamten Umsatz, sondern nur das Speiseangebot betraf. Getränke hatten immer 19 Prozent und dabei ist es auch geblieben. Das heißt: Es ging um das Essen, das im Sitzen serviert wurde. Im Stehen sind es nach wie vor sieben Prozent. Ich verstehe nicht, dass man trotz der Aussage des Kanzlers, dass die sieben Prozent bleiben, wieder erhöht hat. Denn die Senkung war eine Erleichterung des Wirtschaftens, die die Branche am Überleben gehalten hat und faire Löhne ermöglichte.

Das könnte also auch bedeuten, dass der Restaurantbesuch nun teurer wird …

Vielleicht müssen wir uns daran gewöhnen, dass Essen gehen nicht mehr jeden Tag selbstverständlich ist, sondern dass das Essen gehen wieder das Besondere wird. Ich weiß es noch nicht, wie die Entwicklung sein wird.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) warnte bei Erhöhung der Mehrwertsteuer vor vielen Schließungen. Was können Gäste tun, um die ihr Lieblingsrestaurant zu unterstützen?

Einfach hingehen. Und vielleicht auf unsinnigen anderen Konsum ein bisschen verzichten. Ich weiß, man muss, was die Inflation und die Arbeitssituation angeht, die Nöte der Menschen wirklich ernst nehmen. Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Bewusste Konsumentscheidung wäre eine Lösung. Wenn man möchte, dass die Gastronomie in all ihrer Vielfalt, in all ihrer Breite, in all ihrer Schönheit erhalten bleibt, muss man hingehen. Vor allen Dingen muss man nicht nur den Preis bezahlen, sondern man sollte auch den dort Arbeitenden ein vernünftiges Trinkgeld lassen. Das ist die Anerkennung der Leistung.

Hättest du jetzt noch deine Sendung „Rach, der Restauranttester“, welche Tipps würdest du Gastronomen geben, um diese Zeit gut zu überstehen?

Diese Zeit ist immer diese Zeit. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Heute haben wir eine Internationalisierung. Man kann alles gucken, jedes Rezept auf YouTube runterladen, man sieht was in Tokio oder San Francisco gerade los ist. Das hat Riesenvorteile. Bedeutet im Umkehrschluss: Früher gab es keine wirkliche Werbemöglichkeit. Ich würde Gastronomen heute sagen: „Du brauchst nicht nur ein, zwei Köche oder Köchinnen und tollen Service, sondern auch einen Social-Media-Beauftragten.“ Der Social-Media-Auftritt ist heute genauso wichtig wie die Qualität der Gerichte oder das Empfangen der Gäste. Jemand, der das nicht macht, erreicht kein Publikum mehr.

Würdest du heute noch mal ein Restaurant eröffnen?

Wenn du mich anschaust, was siehst du? Graue Haare, fast weiß – früher waren sie pechschwarz. Sie sind auch weniger geworden. Das macht mir persönlich alles nichts aus. Aber alles hat seine Zeit. Ich bin Ende 60, älter als Tim Mälzer, Steffen Henssler oder die ganzen Helden, die heute rumturnen. Ich habe in der Gastro-Zeit mindestens 80 Stunden jede Woche gearbeitet – und das über Jahrzehnte. Es sei mir gegönnt, dass ich heute nur noch 40 bis 50 Stunden in der Woche in meinem Büro bin.

Dafür kannst du jetzt privat die Hamburger Restaurants genießen. Gibt es für dich No-Gos beim Essengehen?

No-Gos gibt es nicht. Ich denke, Hamburg muss aufpassen, dass es nicht unter ferner liefen ist. Wir müssen als applaudierendes Publikum Neues zulassen und nicht nur immer das Haar in der Kaufmannssuppe suchen. Auch junge, frische Modelle sollten wir unterstützen. In Hamburg fehlt momentan etwas das Wilde. Da kann ich nur ermutigen: Jetzt ist die Zeit, neu zu gründen. Die Mieten sind unten, es gibt freie Ladenflächen. Also Leute, traut euch! Denn damals lebte Hamburg von dieser Vielfalt, diesem Bunten. Und das war nicht nur was der Hafen gebracht hat, sondern auch die Musik früher. Wir sind gerade so ein bisschen dabei einzuschlafen.

Eine bunte Vielfalt an Gerichten hast du auch in deinem neuen Kochbuch „Deutsche Küche“ zusammengetragen. Woher kam der Impuls, dieses Buch zu schreiben?

Ich gehe gerne in anderen Städten und Ländern in Buchhandlungen und gucke, was es da Neues gibt. In Deutschland gibt es Kochbücher mit vielen anderen Länderküchen, im Ausland aber kein deutsches. Ich habe Verlage gefragt, warum das so ist. Die Antwort: Wir würden dort nichts gelten. Das war mein Anreiz, das Buch zu machen.

Und was erwartet Leserinnen und Leser im Buch?

Das Buch ist nicht nach Jahreszeiten oder Geografie aufgebaut, sondern nach Produkten. Ich habe mich gefragt, für was wir in der Welt stehen. Die Deutschen werden für ihre Wurst- und Brotkultur bewundert – in Tel Aviv und Sydney gibt es deutsche Bäckereien, vor denen die Leute Schlange stehen. Für die Engländer sind wir immer noch die Krauts. Dementsprechend gibt es Kapitel wie etwa Fleisch, Brot, Kraut und Rüben.

Wird es ein weiteres Kochbuch von dir geben?

Ich habe im Moment keinen Plan ein neues Kochbuch zu machen. Das ist mein Masterpiece. Ein Kochbuch ist sehr viel Arbeit. Auch wenn ein Kochbuch gut läuft, ist das nichts, was man macht, um das Leben damit zu unterhalten. Ich liebe diese Arbeit an einem Kochbuch, aber es ist unglaublich intensiv.

Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.