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Fermentieren

Die Kunst des Vergammelns

Olaf Schnelle gründete 1998 seine Gärtnerei „Essbare Landschaften“ in Vorpommern-Rügen. Vor sieben Jahren eröffnete er die erste Manufaktur Deutschlands, die neben Weißkohl auch anderes Gemüse fermentiert. Mit seinem Kochbuch über das Fermentieren gewann Schnelle Ende 2023 in Hamburg den deutschen Kochbuchpreis. Ein Interview über die Kunst des Vergammelns

27. Mai 2024

Olaf Schnelle ist ein Pionier / ©Georg Bagdenand
Olaf Schnelle ist ein Pionier / ©Georg Bagdenand

Olaf, wann und warum bist du zum Fermentieren gekommen?

Seit 2011 beschäftigt mich das Thema. Damals ging es einfach um eine weitere Variante, wie man Gemüse oder Wildkräuter verarbeiten kann. Seit 2014 baue ich in meiner Gärtnerei verstärkt Gemüse an. Damit wuchs dann auch die Dringlichkeit, entstandene Überschüsse zu konservieren und zu veredeln. Die Milchsäure-Fermentation schien mir dazu die ideale Methode zu sein. Denn sie ist einfach und das Produkt ist vegan, roh, konservierungsmittelfrei und probiotisch. Dass es auch gut schmeckt, das ist die eigentliche Kunst beim Fermentieren.

Im August 2023 hast du dein Kochbuch „Schnelles Grünzeug: Fermentiertes Gemüse in der Alltagsküche“ herausgebracht – und damit auch den deutschen Kochbuchpreis gewonnen. Was hat dich motiviert, dieses Buch zu schreiben?

Im Umgang mit fermentiertem Gemüse stößt man immer wieder auf eine Schwierigkeit: Dieses Gemüse ist immer sauer. Und die Frage, wie man mit dieser Säure intelligent und zeitgemäß umgeht, haben wir im Buch wohl ziemlich schlüssig beantwortet.

Was erwartet Leserinnen und Leser im Buch?

Wir haben alltagstaugliche Rezepte entwickelt, die es ermöglichen, zu jeder Mahlzeit vom Frühstück übers Mittag bis hin zum Abendbrot, etwas von diesem gesunden Lebensmittel zu sich zu nehmen. Auch für Desserts und Getränke haben wir Rezepturen. Meist bleiben sogar die probiotischen Eigenschaften erhalten.

Im Kochbuch beschreibst du ungeschönt, was Fermentieren eigentlich bedeutet: „Die Kunst des Vergammelns“. Kurz und knapp gesagt: Was genau passiert bei dem Prozess?

Vergammeln ist ein Abbauprozess organischer Rohstoffe durch Mikroben. Zur Kunst beziehungsweise zur Fermentation wird es, wenn es uns gelingt, diesen Prozess eher zum Umbau als zum Abbau zu gestalten. Dann wird aus Milch Käse, aus Obst wird Wein oder aus Weißkohl Sauerkraut. Wir beeinflussen also die Mikroorganismen in einer Art, dass sie genau das tun, was wir wollen. In unserem Fall lassen wir sie durch die Zugabe von ein wenig Salz und durch Luftabschluss aus Kohlehydraten Milchsäure produzieren. Die macht das Gemüse dann haltbar. Ein vollkommen natürlicher Prozess.

Braucht es Erfahrung, um erfolgreich zu fermentieren?

Sauerkraut herzustellen, ist ein sehr einfacher Prozess. Man braucht auch wenig Equipment dafür. Ein Messer, ein Schneidebrett, eine Schüssel, das Gemüse, etwas Salz sowie einen Sauerkrauttopf oder ein Drahtbügelglas und schon kann es losgehen: klein schneiden, salzen, abfüllen, warten. Nach zwei Wochen kann man schon probieren.

Was sind die typischen Anfängerfehler?

Ungeduld ist allzu oft der Tod des Ferments. Zu frühes Öffnen des Gefäßes führt immer wieder zu Schimmelbildung.

Lange war das Fermentieren nicht sonderlich populär. Ändert sich das gerade?

Absolut! Überall wird fermentiert. Meine Kurse sind regelmäßig ausgebucht. Seit Jahren ist das schon so.

Woran liegt das?

Das Fermentieren ist ein Vorgang, bei dem wir wieder so etwas wie die Hoheit über unsere Lebensmittel zurückerobern. Es ist ein Vorgang, den wir nahezu komplett selbst beeinflussen. Niemand fügt komische Stoffe hinzu, man weiß genau, was drin ist. Außerdem ist der Prozess einfach und das Ergebnis schön. Man kann zu Recht stolz auf sich sein, wenn man das Glas dann öffnet. Und man spürt vom ersten Bissen, dass man seinem Körper gerade etwas richtig Gutes tut.

Das Fermentieren ist ein Vorgang, bei dem wir wieder so etwas wie die Hoheit über unsere Lebensmittel zurückerobern

Olaf Schnelle

Welche Obst- und Gemüsesorten eignen sich am besten zum Fermentieren?

Man kann alle Gemüsesorten verwenden, die etwas „Substanz“ haben. Salate also eher nicht. Obst kann man auch fermentieren. Das könnte aber schnell ins Alkoholische kippen. Hier ist es besser, wenn das Obst noch nicht all zu reif ist.

Welche Sorten sind für Einsteiger geeignet?

Klassische Gemüsesorten: Kohl in jeder Form und Farbe, Karotten, Rote Bete, Sellerie sind beste Einsteigergemüse.

Welche sind deine persönlichen Favoriten?

Ich liebe Rote Bete. Die Fermente, die daraus entstehen, sind so vielseitig verwendbar. Das ist toll!

Beim Fermentieren zählt vor allem eines: Geduld / ©Georg Bagdenand
Beim Fermentieren zählt vor allem eines: Geduld / ©Georg Bagdenand
Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.