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Kochroboter in Grömitz

RoboKoch

Im Hotel Surf Rescue Club in Grömitz bereitet ein Roboter die Mahlzeiten zu. Wie funktioniert das? Wie schmeckt das Essen? Und was bedeutet das für die Zukunft der Gastronomie?

1. September 2023

Diese beiden Roboter-Arme kreieren bunte Bowls / ©Johanna Zobel
Diese beiden Roboter-Arme kreieren bunte Bowls / ©Johanna Zobel

Es ist nicht so, als wäre die Digitalisierung an der Gastronomie vorbeigegangen: Tische werden online reserviert, Serviceroboter bringen die Speisen an den Tisch, Speisekarten gibt es über QR-Codes direkt aufs Smartphone und nun bereitet sogar ein Roboter das Essen zu. Zumindest in Grömitz an der Ostsee. Dort, im High Five Deli des Hotels Surf Rescue Club, steht Robi, der erste für die Öffentlichkeit zugängliche Koch-Roboter. Seit Anfang Juli kocht er bis zu 60 Gerichte pro Stunde. Bis zu 100 Rezepte hat er auf Lager und kocht am liebsten Pasta- und Reisgerichte. Ist das die Zukunft der von Krisen gebeutelten und vom Fachkräftemangel betroffenen Gastronomie?

Mittwoch, 10 Uhr, erste Badeurlauber schlendern trotz beschaulichen Wetters am Strand entlang. Hier, direkt am Meer, befindet sich der Surf Rescue Club. Innen ranken Pflanzen von der Decke, große Fensterfronten durchfluten den Raum mit Licht, erste Gäste frühstücken. Alle sind aber noch nicht wach: „Zzz … Robi schläft“, steht auf einem Display neben einem rund acht Quadratmeter großen metallenen Kasten. Den Namen Robi hat der Koch-Roboter von seinem Hersteller, dem Start-up Aitme. Humanoid wie im Science-Fiction-Film sieht Robi noch nicht aus: Der rechteckige Aitme ist mehr als zwei Meter hoch und vier Meter lang, hat abgerundete Ecken, die Vorder- und Rückseiten sind mit Metallplatten und Glasfenstern verkleidet, seitlich und darüber ist er rosa gefärbt. Im Inneren befinden sich zwei Arme und fünf Schüsseln. Reden kann Robi nicht, aber kochen – zumindest, wenn alle Zutaten da sind. Heute bekommt er Nachschub. „Wir befüllen den Roboter immer montags, mittwochs und freitags“, sagt Gastgeber Thiemo Jendryssek. Heute übernimmt sein Kollege Meinhard Heinitz. Auf einem Rollwagen befördert er weiße Behälter, gefüllt mit Nudeln, Brokkoli, Hackfleisch, und bleibt damit vor Robi stehen. Er öffnet die linke Metalltür des Roboters, zieht eine Metallschiene heraus, zückt einen Zettel und schaut darauf: „Wir haben einen Belegungsplan, der uns sagt, wo was hin soll. Jeder Tank hat seine Nummer.“ Meinhard steckt zwölf Behälter mit Zutaten und fünf mit Soßen in die jeweils zugehörigen Fächer, schiebt die Schiene wieder rein und verschließt die Tür. Auf der rechten Seite des Roboters befindet sich ebenfalls eine Tür mit gleichem System, dort platziert er Toppings wie Nüsse und Käse. „Die Zutaten bekommen wir von unserem Partner Chefs Culinar geliefert. Wir müssen nur die Nudeln im Vorfeld ein bisschen vorgaren“, sagt Jendryssek. Damit alles frisch bleibt, liegt die Innentemperatur des Roboters bei sieben Grad.

Los geht’s: Robi kocht

Robi ist nun erwacht. Bestellt wird digital – über das Smartphone oder dem Display neben Robi. Gäste können bisher zwischen fünf Gerichten wählen. Die Zubereitung ist über die große Glasscheibe live zu sehen. Das ist nicht nur für Kinder eine Attraktion. Los geht’s: Robi greift mit dem linken Gelenkarm die mittlere Schüssel und schwenkt zu den Zutaten. Nudeln, Tomatensoße, Hackfleisch und Möhren fallen nacheinander hinein. Der Arm schwenkt zurück auf die Induktionsherdplatte und setzt die Schüssel ab. Dort rotiert sie für 120 Sekunden, sodass das Essen bei 170 Grad erhitzt wird. Anschließend wird der Inhalt in eine recycelbare Pappschüssel abgefüllt, die der rechte Arm schon bereithält. Mit der gefüllten Schüssel bewegt er sich nach rechts. Parmesan schneit auf das Gericht. Die Pappschüssel wird in ein Fach gelegt und nach vorn gefahren. Nach wenigen Minuten liegt es im Fach C, wird dort noch kurz gewärmt. Die Klappe kann nun geöffnet werden. Die Bolognese riecht angenehm, die Nudeln sind al dente, die Soße ist tomatig, die Möhren sind leicht knackig. Und gut gewürzt ist es auch. Die Zutaten sind frisch, nicht künstlich. „Das sind keine Convenience-Produkte oder Ähnliches“, betont Jendryssek. An die Bolognese vom familiengeführten Italiener kommt die Roboter-Bolognese zwar nicht heran – das sei aber auch nicht das Ziel des High Five Deli. „Wir werden nie ein klassisches Restaurant ersetzen, das ist uns auch ganz wichtig. Wir wollen eine vollwertige und gesunde Verpflegung für sofort, den Strand oder ,to go‘ anbieten – und das für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir liegen zwischen 9 und 13 Euro pro Gericht“, so Jendryssek.

Wie im Restaurant geht auch bei Robi mal etwas daneben. „Das ist wie zu Hause, man kleckert mal. Das bleibt auch bei dem Gerät nicht aus“, sagt Jendryssek. Die Arme und Oberflächen sowie der linke und rechte Bereich werden von den Mitarbeitern täglich gereinigt. Das würde gemeinsam mit der Befüllung täglich etwa drei Stunden Arbeitszeit kosten.

Im High Five Deli gibt es Robo-Kost, Drinks und Snacks / ©Johanna Zobel
Im High Five Deli gibt es Robo-Kost, Drinks und Snacks / ©Johanna Zobel
Die Mitarbeiter befüllen Robi mit neuen Schüsseln / ©Johanna Zobel
Die Mitarbeiter befüllen Robi mit neuen Schüsseln / ©Johanna Zobel
Jede Zutat hat einen bestimmten Platz / ©Johanna Zobel
Jede Zutat hat einen bestimmten Platz / ©Johanna Zobel

Surf Rescue Club: Neue Wege in die Digitalisierung

Robi ist längst mit weiteren Aufträgen beschäftigt: Spinaci Pasta, Beef Teriyaki, Chickpea Curry, Chicken Curry. Das lockt neugierige Gäste. Sie knipsen Fotos, drehen Videos, manche probieren das Essen. „Wir merken, dass es schon skeptische Blicke gibt. Ich glaube, man kann es nie jedem recht machen. Am Ende sind aber 99 Prozent der Gäste begeistert“, sagt Jendryssek. Mit dem High Five Deli gehen Inhaber Niels Battenfeld und sein Team um Alexandra Thiel und Thiemo Jendryssek neue Wege und möchten die Digitalisierung in der Hotellerie nach vorne bringen. Das Deli besteht neben Robi aus einer Café-Corner und einem Selbstbedienungssupermarkt, in dem eigenständig auf Vertrauensbasis bezahlt wird. Auch beim Hotel-Konzept schlägt der Surf Rescue Club neue Wege ein: Gäste können selbstständig einchecken und bekommen den Zimmerschlüssel aufs Handy. Zudem gibt es keinen täglichen Zimmerservice – nur gegen Aufpreis ist er zubuchbar. „Gerade heute muss man Ressourcen schonen. So vermeiden wir Kosten, die nicht erforderlich sind“, sagt Jendryssek. Die neue Strategie ist aber auch eine Reaktion auf den Personalmangel. Zwei bis drei Mitarbeiter würden täglich eingespart. „Wir wollen Mitarbeiter nicht komplett ersetzen, sondern ihnen mehr Zeit zur Verfügung stellen, sich auch wieder mit den Gästen auseinanderzusetzen“, erklärt Jendryssek. Die Lobby fungiere als Wohnzimmer. „Gäste sollen sich bei uns wie bei Freunden fühlen“, so Jendryssek.

Hier können Gäste ihr Essen entnehmen / ©Johanna Zobel
Hier können Gäste ihr Essen entnehmen / ©Johanna Zobel
Et voilà: Pasta Bolognese im Roboter-Style / ©Johanna Zobel
Et voilà: Pasta Bolognese im Roboter-Style / ©Johanna Zobel

Jendryssek, der seit 20 Jahren in der Hotellerie arbeitet, sieht im neuen Konzept die Zukunft: „Die Branche verändert sich. Wir sind der Überzeugung, dass die Hotellerie und Gastronomie von heute bald Geschichte sein wird.“ Der Surf Rescue Club ist Vorreiter des neuen Gastro-Zeitalters. Robi wurde für das High Five Deli sogar eigens weiterentwickelt. Im Gegensatz zu seinen Robo-Kollegen, die in zwei Kantinen in Deutschland stehen, hat er eine eingebaute Spülmaschine.

Robi ist längst Teil der Surf-Rescue-Club-Familie. Die offizielle Namensgebung steht jedoch noch aus. „Robi wird auf jeden Fall einen weiblichen Namen bekommen – das Gerät ist rosa“, sagt Jendryssek. Ob Robi, Barbie oder Bibi – der Koch-Roboter ist im Einsatz – aktuell bis etwa 21 Uhr. Langfristig sei das Ziel, ihn rund um die Uhr einsatzbereit zu haben. „Es gibt zwar Arbeitsschutzgesetze, die betreffen den Roboter aber nicht“, sagt Jendryssek lachend. Der Koch-Roboter soll weitere Gerichte erlernen. „Er kann auch Currywurst mit Kartoffel-Ecken. Wir sind auch so weit, dass wir sagen: Warum nicht auch eine Burger-Bowl? Schmeckt nach Burger, sieht nur anders aus“, sagt Jendryssek. Burger und Currywurst gehen eben immer: Manches ändert sich wohl nie.

Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.