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Interview

„Ich hatte früher viel mehr Zeit für Gäste“

Jens Stacklies führt die Gröninger Privatbrauer, die Restaurants Schönes Leben, die Fischauktionshalle und ist Vorstand im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Im Interview erzählt er von seinem Weg in die Gastronomie und erklärt, warum essen gehen trotz bevorstehender Steuersenkung nicht günstiger wird

24. April 2025 von Johanna Zobel

Jens Stacklies ist seit 40 Jahren in der Gastronomie tätig / ©Michaela Kuhn
Jens Stacklies ist seit 40 Jahren in der Gastronomie tätig / ©Michaela Kuhn

Jens Stacklies, Sie sind Vorstand beim Dehoga, führen das Restaurant Schönes Leben, die Fischauktionshalle und die Gröninger Privatbrauerei. Was hätten Sie gemacht, wären Sie nicht in die Gastronomie gegangen?

Jens Stacklies: An sich bin ich immer zufrieden gewesen mit meiner Berufswahl. Ich habe damals mehrere Ausbildungen ausprobiert und abgebrochen. Mit heutiger Sicht hätte ich auch Interesse am Maschinenbau haben können. Die Welt mit technischen Errungenschaften ein bisschen besser zu machen, das würde mich reizen. Das Interesse ist aber erst im Laufe der Jahre gekommen.

War für Sie damals direkt klar, dass die Gastronomie das Richtige für Sie ist?

Ich habe vor rund 40 Jahren im Landhaus Scherrer angefangen. Ich war ein unbequemer junger Mann, aber Armin Scherrer konnte mit mir umgehen. Irgendwie hat er es geschafft, mich zu motivieren – das hat mir unwahrscheinlich viel Spaß gemacht. Wir sind zum Großmarkt gefahren, haben da Früchte und Obstsorten gesehen, die waren hier damals größtenteils unbekannt. Die Kiwis zum Beispiel gibt es noch nicht so lange. Das war schon eine tolle Zeit. Er nahm mich auch zu großen Caterings mit. Das hat mich begeistert. Spätestens da war klar, dass ich bleibe.

Wie ging es weiter?

Nach ein paar Stationen in Hamburger Gastronomien sind meine damalige Freundin und jetzige Frau und ich zur See gefahren. Auf der Astor, dem ersten Traumschiff, haben wir im Restaurantbereich und im Barbereich gearbeitet. Nach unserer Auslandserfahrung in Südafrika und Brasilien, sind wir zurück nach Hamburg und wollten hier bleiben. Ich habe dann im Louis C. Jacob angefangen, meine Frau war im Vier Jahreszeiten, Atlantic und dann im Grand Elysée. Von dort wurde ich abgeworben und habe mich dank Herrn Block schnell entwickelt – mit 27 Jahren war ich Geschäftsführender Direktor.

Und dann kam die Selbstständigkeit?

Ich bin seit 30 Jahren selbstständig. Die Gröninger Brauerei war der erste Betrieb, den wir übernommen haben. Und dann ging es los mit Catering-Veranstaltungen in der Speicherstadt. Da hatten wir dann 8000, 9000 Quadratmeter Speicher bespielt. Wir waren die einzigen, die in der Speicherstadt Catering gemacht haben, weil es ja noch den Zollzaun gab. Der ist ja dann gefallen, weiß auch fast keiner mehr – es geht ja so schnell alles. Das erste Restaurant in der Speicherstadt war dann unser Restaurant Schönes Leben in der Speicherstadt, das betreiben wir seit 16 Jahren, danach kam das Schönes Leben im Alt Hamburger Bügerhaus und als letztes das Schönes Leben auf dem Lande in Neuendeich.

Auch die Fischauktionshalle gehört zu Ihrem Gastro-Imperium. Wie kam es dazu?

Ich bin in Bahrenfeld aufgewachsen und habe schon als Kind meine ersten zehn Mark in der Fischauktionshalle verdient. Ein Freund und ich haben unsere nicht mehr benötigten Spielsachen verkauft. Vor rund 20 Jahren wurde die Fischauktionshalle ausgeschrieben. Wir haben damals das Erbbaurecht gekauft und die Halle instand gesetzt, gepflegt und ausgestattet. Und mittlerweile machen wir darin um die 200 Events pro Jahr.

Wie jonglieren Sie Ihr großes Angebot an Gastronomie und Catering?

Wir sind ein klassisches Familienunternehmen und haben circa 250 Mitarbeiter. Meine Frau und ich können uns gut austauschen. Wir sind in allem echte Partner und jeder hat seine Stärken – so ergänzt sich das super. Das hat uns beiden immer die Kraft gegeben, alles zu machen. Auch unsere beiden Söhne haben sich für die Branche entschieden. Wichtig ist: Man muss ein positiver Mensch sein. Wenn man das nicht ist, dann kann man nicht in dieser Branche arbeiten.

Sie haben 40 Jahre Gastro-Erfahrung. War es früher einfacher?

Ich hatte früher viel mehr Zeit für Gäste. Heute ist das kompliziert. Es gibt gewisse Dinge, die müssen einfach sein, da braucht man gar nicht drüber reden. Aber diese Bürokratisierung ist der Tod jeder Branche, nicht nur unserer. Ein Beispiel: Wir schulen gerade unseren Leiterbeauftragten.

Zum 1. Januar 2026 profitiert die Gastronomie von der Umsatzsteuersenkung. Hilft das der Branche?

Finde ich nett. Ist aber eine Katastrophe, weil sie erst nächstes Jahr kommt. Versprochen wurde uns die Senkung zu Mitte dieses Jahres. Das heißt für uns, dass mindestens weitere 5000 bis 6000 Betriebe bundesweit schließen. Also mich kostet so was mal eben schnell 400.000 bis 500.000 Euro. Denn ich habe meine Budgets fürs Jahr gemacht und ich bin davon ausgegangen, dass wir im Juli oder August die zwölf Prozent wieder haben. Die brauchen wir auch für unsere Löhne, die um bis zu 30 Prozent gestiegen sind; für den Mindestlohn, der jetzt wieder diskutiert wird, und für die hohen Energiekosten. Das ist wie eine zweite Miete mittlerweile. Das ist eine Katastrophe, was da passiert. Dann zahlen wir Mautgebühren, da redet kein Mensch drüber! So haben wir schleichend Steuern, die machen uns fertig. Das macht keine Freude mehr und vermiest vielen das Unternehmersein. Das ist ein Riesenthema.

Führt die Steuersenkung zu günstigeren Preisen der Gerichte?

Ich würde nichts lieber machen, als die Preise zu senken. Die Gäste wünschen, dass wir unsere Mitarbeiter besser bezahlen, saubere Energie nehmen und Biofleisch regional kaufen – aber es muss natürlich billiger werden und preiswerter. Finde ich alles super, aber so einfach ist das eben nicht. Unsere Branche war immer schon zu günstig. Das funktioniert nicht. Qualität hat seinen Preis. Wir haben keine Chance mehr, irgendwelche Preissenkungen vorzunehmen. Wir können sehr vernünftig mit den Preisen umgehen – das müssen wir auch machen. Aber wir müssen kaufmännisch klar kalkulieren. Und das hat unsere Branche in der Vergangenheit ein bisschen vernachlässigt. Auch die Entsorgung ist ein Riesenthema: Öl, Fette, Speisereste – da haben Sie früher Geld für bekommen, dann wurde es umsonst abgeholt. Heute bezahlen Sie teuer dafür, dass es überhaupt einer abholt. Das alles zusammen macht es unserer Branche nicht möglich, die Preise zu senken.

Wir müssen kaufmännisch klar kalkulieren. Und das hat unsere Branche in der Vergangenheit ein bisschen vernachlässigt.

Jens Stacklies

Im neuen Genuss-Guide sind auch Ihre Restaurants gut weggekommen. Rechnen Sie bei Tests immer mit diesem Ergebnis?

Ich freue mich natürlich darüber. Ich weiß ja, dass unsere Mitarbeiter ihr Bestes geben und versuchen dranzubleiben. Aber wir haben natürlich auch nicht nur Überflieger, keine Frage (lacht). Sie müssen unsere Branche immer so sehen: Wir produzieren nicht irgendwas auf dem Fließband, sondern jeden Tag neu. Wir sind jeden Tag neu auf dem Prüfstand. Kein Tag ist wie der andere.

Die Genuss-Michel-Gala findet am 28. April erstmals in der Fischauktionshalle statt. Können Sie da entspannt als Gast teilnehmen oder sind Sie dann angespannt?

Ich kann da tatsächlich entspannt sein, weil wir ganz starke Mitarbeiter haben, auf die ich mich verlassen kann. Natürlich hat man fast 1000 Kollegen da – das ist eine andere Geschichte, als wenn ich da eine ganz andere Branche habe (lacht). Aber ich bin mir sicher: Wir werden das an dem Tag richtig rocken.

Portrait von Johanna Zobel

Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.