Thomas, welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für dich?
Thomas Sampl: Nachhaltigkeit ist speziell in unserem Projekt nichts, das wir als Benchmark setzen, sondern als Selbstverständnis. Viele Menschen wissen nicht, wie die Welten von guten Lebensmitteln eigentlich funktionieren und welche Herausforderungen kleine Produzenten haben. Es sind manchmal Kleinigkeiten, mit denen man Leuten so unglaublich die Augen öffnen kann. Wenn du etwas ändern willst, kannst du es so einfach ändern. Man muss bloß von Anfang an entscheiden, dass man die Supermärkte beiseite lässt.
Welche Herausforderungen haben kleine Produzenten?
Da fehlen teilweise ganz simple Strukturen. Die kleinen Betriebe können unglaublich tolle Produkte machen, sich aber schlecht selber vermarkten.
Hat auch die Gastronomie Probleme bei der Vermarktung?
Gut zu kommunizieren, was man tut, ist schwierig. Es gibt einige Gastronomien, die machen ihre Sache wirklich gut. Die beziehen ihre Eier oder ihr Gemüse vom Bauern – und das schon länger. Aber sie sprechen da nicht drüber. Man vergisst es auch. Wir sind zum Beispiel als Markthalle bio-zertifiziert, schon seit anderthalb Jahren. Wir haben dieses Bio-Logo aber noch nicht mal auf unserer Internetseite.
Sind deshalb manche Betriebe vielleicht nicht offiziell bio-zertifiziert, obwohl sie bio produzieren?
Ich sage das sehr provokativ: Wir haben ein Grundproblem. Wir bestrafen die, die gute Arbeit machen, mit mehr Arbeit. Und die, die scheiß Arbeit machen, können die einfach machen – ohne etwas zu erklären. Eigentlich müsste man das ändern. Man müsste sagen: Bio ist das Normale. Wenn du dich nicht an bio hältst, musst du erklären, mit was zu spritzt, warum du spritzt, warum du etwas zerstörst, warum du diese Maschine benutzt. Dann hätten wir hundert Probleme weniger.
Wir bestrafen die, die gute Arbeit machen, mit mehr Arbeit. Und die, die scheiß Arbeit machen, können die einfach machen – ohne etwas zu erklären.
Wie weit ist eine solche Wende entfernt?
Superweit. Es ist in der aktuellen Zeit sehr schwierig. Wir haben in unserer Gesellschaft sehr starke Strömungen, die Angst haben, ihren Wohlstand zu verlieren und sehr unblickig sind. Es gibt wirklich Menschen, die gerade im Moment sehr viel schreien müssen oder wollen, weil sie einfach unglaublich viel Angst haben – Angst, die man auch manchmal vielleicht nachvollziehen kann. Aber dadurch verzögern sich Sachen, die eigentlich superwichtig sind.
Mit der Hobenköök setzt du erste Impulse. Du vereinst hier Wochenmarkt und Restaurant in einem – wann kam dir die Idee zu diesem besonderen Konzept?
2016 war das hier von der Kreativ-Gesellschaft als Gastronomie-Fläche ausgeschrieben. Wir haben uns damals mit einer kompletten Markthalle beworben. Die Stadt wünschte aber eine Gastronomie. Dann haben wir gemeinsam mit der Stadt das Konzept geändert. Jetzt ist es zur Hälfte Markt, zur Hälfte Restaurant. 2018 waren wir mit dem Umbau fertig.
Wie findet ihr die Lösung?
Es ist tatsächlich super. Viele kommen wegen der Gastronomie zu uns. Wir drei Gründer sind auch Gastronomen. Ohne die Gastronomie gäbe es uns glaube ich nicht mehr. Denn vor fünf Jahren war das hier noch Niemandsland. Jetzt sind viele Familien hergezogen. Die Herausforderung ist, dass um uns herum viele Supermärkte und Discounter sind. In diesem Stadtteil wohnen 8000 Leute, es gibt vier große Supermärkte – plus uns. Die Anbindung ist einfach nicht so gut, dadurch leidet unser Markt manchmal. Es gibt immer Aufs und Abs.
Wie nachhaltig schätzt du die Hamburger Gastronomie ein?
Von allen Gastronomiebetrieben – ich schätze zehn Prozent, maximal.
Mehr als 70 Prozent eurer Lieferanten sind bio-zertifiziert. Wie wichtig ist es dir, mit Produzenten zu arbeiten, die auf nachhaltige Produktion setzen?
Ohne die Produzenten könnte das hier gar nicht bestehen bleiben. Ohne den direkten Austausch mit den Produzenten über das, was sie tun und wie sie arbeiten, wäre dieses Konzept überhaupt nicht denkbar. Das ist einfach die Grund-DNA, die dieses Konzept hat.
Regionale Ware schmeckt man sicherlich auch?
Die Produkte sind hier zu hundert Prozent anders. Leute, die hier neu anfangen zu arbeiten, sind erst mal überfordert, weil sie so wenig würzen müssen. Weil der Grundgeschmack so da ist. Sie lernen die Produkte alle komplett neu kennen. Dann zurück zu switchen ist schwer. Deswegen ist es gut, wenn die Kinder das Nest verlassen. Meistens nehmen die dann immer etwas für ihre neuen Läden mit.
Wie schaffst du es, das Thema Nachhaltigkeit an deine Mitarbeiter zu überliefern?
Man ist ständig damit konfrontiert. Wir haben hier über 200 Lieferanten – stehen immer im persönlichen Kontakt. Außerdem haben wir auch Schulungen. Eigentlich müsste man jede Woche drei Schulungen machen, da hat aber niemand Zeit zu. Wir machen das leicht dosiert und wir versuchen immer den Input reinzugeben.
Mit fritz-kola habt ihr einen Partner gefunden, der sich Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben habt. Wann war klar, dass ihr mit fritz-kola kooperieren möchtet?
Ich selber kenne fritz-kola schon relativ lange. Ich mag an fritz-kola das Engagement, das gezeigt wird.
Habt ihr gemeinsame Ziele?
So wie fritz-kola auch kleinere Künstler unterstützt, unterstützen wir unsere kleinen Produzenten. Da haben wir durchaus einen ähnlichen Ansatz.
fritz-kola hat eine neue Abfüllanlage, die mit dem Partner Franken Brunnen in Eilenburg bei Leipzig gebaut wurde. Sie sorgt dafür, dass zur Flaschenreinigung 75 Prozent weniger Wasser benötigt wird. Wie wichtig ist das Thema Wasser- und Energiesparen für euch?
Wir haben Anfang des Jahres neue Energiepreise bekommen. Unser Vorteil ist, es gibt hier kein Gas. Gas haben wir nur in unserer Produktionsküche. Wir haben hier auch viel darüber gesprochen, was man anders machen kann, um Energie zu sparen. Wir haben hinterfragt: Was kann an bleiben? Was muss aus?
Vor allem bei der Logistik entsteht CO2. fritz-kola setzt auf regionale Abfüllanlagen mit Ökostrom und erweitert den Ausbau der e-Flotten. Sind das Themen, die bei euch auch wichtig sind?
Green Energy ist hier Stromlieferant. Unsere Produzenten bilden häufig Gemeinschaften, wenn sie ausliefern. Wir haben bei unserem Catering zwei Locations, mit denen wir immer sehr viel machen – die liefern wir eigentlich immer mit tricargo aus – den Lastenfahrrädern.
Ursprünglich wolltest du Mathelehrer werden. Rechnet man alle Kosten zusammen, sind regionale und nachhaltige Produkte dann teurer?
In der Hobenköök hatten wir letztes Jahr eine Inflation von 2,9 Prozent. Also fernab von dem, was im normalen Supermarkt los war. Dort waren ja die bereinigten Preise, die Inflationszahlen lagen bei rund 14 Prozent.
Warum war die Inflation bei euch so gering?
Unsere Lebensmittel haben immer schon ihren Preis. Und wenn mein Bio-Bauer seinen Kohlrabi erntet, dann erntet er ihn. Daran hat sich nichts geändert, weil weder Dünger aus der Ukraine drauf ist oder Saatgut aus China. Das einzige, was für ihn teurer wurde, war der Trecker mit dem Diesel. Es gibt jetzt zwar schon Elektro-Traktoren, aber das ist alles noch in den Kinderschuhen. Aber er ist abhängig vom Diesel, deshalb wurde es teurer.
Also ist bio gar nicht teurer?
Wo wir die Herausforderung haben, sind Manufaktur-Produkte. Die Produkte sind handgemacht und werden immer teuer bleiben. Bei Grundnahrungsmitteln, wie Joghurt, Gemüse, Äpfeln kommst du hier sogar günstiger raus, als aus dem Bio-Supermarkt. Einen Discounter-Preis können wir aber nie machen, das funktioniert nicht. Ich sag immer, wenn man Styropor essen möchte, kann man das gerne tun. Der wird auch immer günstig bleiben (lacht).
Welche Pläne habt ihr noch für die Hobenköök?
Wir müssen unsere Dynamik immer etwas zügeln. Wir haben jetzt durch Gut Karlshöhe schon wieder eine neue Gastronomie dazugenommen. Das muss jetzt alles erst mal laufen. Das sieht schon gut aus, aber ein paar Schräubchen müssen wir noch drehen. Wenn ich ehrlich bin, von dem, wofür unser Konzept steht, müssen wir eigentlich einen weiteren Laden eröffnen. Denn wir haben keine Laufkundschaft hier. Ich würde gerne einen weiteren Standort aufbauen, wo es nicht so gute Wochenmärkte gibt. Dort, wo es eine nicht so gute Infrastruktur und nur Supermärkte und Discounter gibt.
Hast du schon einen Stadtteil im Kopf?
Nein. Dieses Jahr mache ich mir da auch keine Gedanken mehr drüber (lacht).
Wann und wo trinkst du am liebsten deine fritz-kola, welche Sorte?
Ich trinke am liebsten die klassische Kola. Ich trinke super selten etwas Süßes, aber wenn, dann die Kola.