Volle Teller, Tische und Terrassen – die Restaurants scheinen wieder gut besucht zu sein. Oder etwa doch nicht? Viele Hamburger Gastronomien schließen derzeit ihre Türen. Darunter die SOUL Vegan Coffee Bar, das Vlet in der Speicherstadt und das Restaurant Heldenplatz – um nur einige zu nennen. 285 Betriebe haben im ersten Quartal 2023 ihr gastronomisches Gewerbe in Hamburg abgemeldet. Im selben Zeitraum zählt das Statistikamt Nord jedoch 385 gastronomische Anmeldungen und 20 neue Beherbergungen. Die meisten davon im Bezirk Hamburg-Mitte (133), gefolgt von Hamburg-Nord (67), Wandsbek (56), Altona und Eimsbüttel (54), Harburg (25) sowie Bergedorf (16). Klingt zunächst nach mehr Wachstum als Rückgang.
Doch der Schein trügt: Die Restaurants kämpfen mit vielfältigen Herausforderungen. „Es fällt sehr schwer zu kalkulieren, die Lebensmittelpreise fahren Achterbahn und das bei jedem Lebensmittel“, sagt Robert von Appen vom Restaurant Chapeau!. Unter diesen Umständen eine feste Speisekarte zu entwickeln, sei unmöglich. Gewinn könne so nicht erzielt werden. Ein weiterer Stein auf dem Weg vieler Gastronomen: Der verringerte Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen soll Ende des Jahres aufgehoben werden. Dieser war in der Pandemie von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Um die hohen Energiepreise abzufedern, wurde der verringerte Mehrwertsteuersatz bis Ende 2023 verlängert.
DEHOGA fordert dauerhafte Steuersenkung in der Gastronomie
Dass ab 2024 wieder 19 Prozent gelten sollen, sorgt für Ärger und Sorge. Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA), erinnert daran, dass der verminderte Steuersatz auf Speisen in der Gastronomie in der EU die Regel sei. Derzeit gelte in 23 von 27 EU-Ländern ein ermäßigter Steuersatz. Es verwundert daher nicht, dass Zöllick sich für die anhaltende Steuersenkung einsetzt: „Wir appellieren eindringlich an die Politik, endlich die dauerhafte Geltung der sieben Prozent Mehrwertsteuer zu beschließen.“ Zudem argumentiert er: „Es wäre widersprüchlich und wettbewerbsverzerrend, frisch zubereitetes Essen in der Gastronomie in Deutschland wieder mit 19 Prozent zu besteuern, während auf Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Essenslieferung sieben Prozent erhoben werden.“ Die CDU/CSU-Fraktion fordert ebenfalls die dauerhafte Senkung des Mehrwertsteuersatzes. Die Regierungskoalition (SPD, Grüne und FDP) lehnte einen entsprechenden Antrag im Juni aufgrund der angespannten Haushaltssituation ab. Die Weiterführung des verringerten Steuersatzes bedeute Schätzungen der CDU/CSU zufolge steuerliche Mindereinnahmen von jährlich rund 3,3 Milliarden Euro.
Bei der Rückkehr zu den 19 Prozent befürchtet der DEHOGA schlimme Konsequenzen für die Gastronomie und deren Gäste. Eine Befragung von 9600 Betrieben ergab, dass 95,7 Prozent aller Gastronomen ihre Preise erhöhen müssten. Viele befürchten in der Folge ein Ausbleiben der ohnehin inflationsgeplagten Gäste. Dazu komme, dass viele Betriebe noch Corona-bedingte Kredite tilgen. Für knapp die Hälfte aller Befragten (40,4 Prozent) gehöre das zu den erschwerenden Folgen der Pandemie. Nur der Personalmangel bereite noch mehr Sorgen.
Personalmangel als Problem in der Gastronomie
Das bestätigt auch das Statistische Bundesamt: 2022 gab es zwar 12,5 Prozent mehr Beschäftigte in der Gastronomie als im Vorjahr. Doch das sind noch immer rund ein Zehntel (11,8 Prozent) weniger als vor der Pandemie 2019. Einige Gastronomen wollen dem Personalmangel trotzen – und zwar mit Technik. In Hamburgs Zoë Sofabar ist schon seit Ende 2021 ein Serviceroboter im Einsatz. Und in Grömitz an der Ostsee gibt es im Surf Rescue Club seit diesem Sommer eine kleine Sensation: Robi, ein Koch-Roboter. Dieser bereitet das Essen vollautomatisch zu, hält sich an jedes Rezept und verlangt dafür keinen Lohn.
Auch Robert von Appen vom Chapeau! kennt Personalprobleme. Bei ihm bewerbe sich zwar wieder mehr Personal, davon viele altbekannte Gesichter. „Allerdings wollen die meisten mehr verdienen und sie bekommen das auch an einigen Standorten. Das können sich nur Gastronomen mit einem hohen Durchlauf und geringeren Foodkosten leisten“, so Von Appen. Die vielen Gastro-Schließungen sorgen für Unruhe, die Stimmung in der Branche sei „hart“, so von Appen. „Es ist wirklich verrückt, eigentlich sieht alles schön aus: Die Terrasse ist voll, aber hinter den Kulissen müssen wir uns schon ordentlich bewegen. Preise vergleichen, neue Rezepte ausprobieren, Mitarbeiter suchen, einarbeiten, noch mehr Zeit und Budget für Marketing ausgeben, dabei verliert man leicht das Wichtigste aus den Augen: das Gastgebertum.“
Damit die Restaurantlandschaft weiterhin so vielfältig bleibt, empfiehlt von Appen kleine Betriebe zu besuchen und ausreichend Trinkgeld zu geben. Sonst gebe es bald „keine kleinen Läden mehr und nur noch ein Edeka neben der Tankstelle an der Autobahneinfahrt“. Angesichts steigender Preise, Personalmangel und Pandemiefolgen hat die Gastronomie noch einige Hürden vor sich. Dabei ist sie so wichtig: „Unsere Restaurants und Cafés sind Orte des Zusammenkommens, des Genusses, der Kommunikation und für den sozialen Zusammenhalt wichtiger denn je“, sagt DEHOGA-Präsident Zöllick.