Noch immer beißt der verbrannte Geruch in der Nase. Überall liegt schwarze Asche, verschmolzene Bildschirme hängen von der Wand, angebrannte Stühle und Tische liegen aufeinander, verrußte Gläser und Schnapsflaschen stehen im Tresen – ein Anblick wie man ihn selten sieht oder nur aus True-Crime-Serien kennt. Das Eichen Eck wurde innerhalb weniger Stunden von einer urig-gemütlichen Eckkneipe zum Schutthaufen – vom Feuer niedergebrannt. Fast ironisch: Nur ein paar offene Rechnungen auf Papierzetteln liegen unversehrt an Ort und Stelle.
Eichen Eck: Hamburger Traditionskneipe
Doch von vorne: Alteingesessene Hamburger mögen das Eichen Eck im Schulweg 50 wahrscheinlich kennen – mit den gemütlichen Barhockern, Eckbänken und dunklem Holzinterieur. Die Traditionskneipe ist seit 65 Jahren in Eimsbüttel zu Hause. Seit knapp 15 Jahren hat Nina hier das Sagen, schenkt Stammgästen, die teilweise seit 30 Jahren Gäste sind, Bier aus. Aber auch jüngere Menschen, zwischen 25 und 30 Jahren sind abends gern gekommen, erzählt Nina. Schon durch die Corona-Pandemie wurde die Lage schwierig, doch die Gastwirtin versuchte alles, damit es den Gästen so gut wie möglich geht: „Ich hatte überall Plexiglasscheiben, damit sich die Menschen hier drin sicherer fühlen.“
Wie für die vielen Stammgäste ist das Eichen Eck auch Ninas zweites Zuhause: „Ich lebe für die Kneipe, jeden Tag. Ich bin sieben Tage die Woche am arbeiten. Wenn ich nicht gerade im Urlaub bin, bin ich hier.“ Und zu diesem Zeitpunkt, als Nina auf Gran Canaria war, traf sie das Schicksal. Am Mittwoch, 24. November, um 3 Uhr (2 Uhr in Hamburg) klingelte ihr Telefon. Zuerst wurde sie von dem Auslösen ihrer Alarmanlage benachrichtigt, kurz darauf folgte der Anruf der Polizei, dass ihre Kneipe brenne. „Das war ein Schock. Ich habe zuerst überlegt, sofort zurückzufliegen“, weiter erzählt sie, „doch dann habe ich erst mal abgewartet und Bilder geschickt bekommen – allerdings nur von außen. Da wusste ich, dass ich sowieso nichts machen konnte.“ Die ersten beiden Tage nach dem Brand war die Spurensicherung vor Ort, zu dieser Zeit durfte niemand in die Kneipe. Noch auf Gran Canaria bekam Nina dann die ersten Bilder von innen zugeschickt, telefonierte mit der Verwaltung und der Versicherung. Doch der erste Eindruck vor Ort in Hamburg – zwei Wochen später – war niederschmetternd: „Als ich es dann hier vor Ort live gesehen habe … (schluckt schwer) das war erschreckend. Mein Baby ist weg.“
Vom Brand zerstört: Dinge mit emotionalen Wert
Und mit „ihrem Baby“ auch Schätze von emotionalen Wert: alte Schränke, die schon seit Bau der Kneipe vor Ort waren, die Leiste über dem Tresen, die ein Wirt vor 50 Jahren baute und antike Lampen. Oder auch antike Lautsprecher – „die liegen hier auch irgendwo in der Asche“, erzählt Nina mit glasigen Augen. Leider hört die lange Liste damit noch nicht auf: Auch Bilder vom HSV mit Unterschriften von ehemaligen Spielern – wie Ruud van Nistelrooy – oder signierte Fanartikel von den Freezers, wurden vom Feuer zerstört. „Das sind Sachen, die bekommt man nicht mehr wieder“, weiß Nina.
Trotz Schock, Trauer und Enttäuschung ist Nina auch erleichtert, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Der Brand, so geht es laut Nina aus aktuellen Ermittlungen hervor, entstand wohl direkt an der Eingangstür. Vermeintlich durch einen feuerfangenden E-Scooter. Wäre noch jemand in der Kneipe gewesen, so wäre ein Entkommen ausgeschlossen. Denn der Prozess zum Feierabend laufe immer gleich ab: Nach dem der Tresen und Tische geputzt wurden, steht die Abrechnung an – im hinteren Raum der Kneipe. Dort befindet sich zwar ein Fenster, das wegen eines früheren Einbruchs jedoch mit einem Metallgitter verkleidet ist. Wie viel Glück im Unglück war, zeigt sich hier: Am Tag des Brandes wurde die Kneipe zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr nachts abgeschlossen – die Feuerwehr rückte laut Nina um 2 Uhr aus. Nina zweifelt daran, dass einzig ein E-Scooter Schuld an dem Brand hat: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand einen E-Scooter direkt vor der Tür abstellt. Ich gehe davon aus, dass nachgeholfen wurde.“
Zusammenhalt in der Krise
Doch merkt man trotz all der Enttäuschung auch den Zusammenhalt der Traditionskneipe: Viele Stammgäste haben sich bereits bei Nina gemeldet, ihr Hilfe bei Aufräum- und Aufbauarbeiten angeboten. Aktuell könne man jedoch nicht viel tun, außer warten, bis die Staatsanwaltschaft weitere Informationen ermittelt. Auch wenn die Situation aktuell sehr unsicher ist, das Prüfungsverfahren bei der Versicherung läuft, so steht Ninas Entschluss zum Wiederaufbau der Kneipe fest: „Wenn es mit den Renovierungsarbeiten losgeht und die Wände und Decken neu sind, hoffe ich, dass die Einrichtung fast wie früher wird.“ Doch vor September oder Oktober gehe sie nicht von einer Wiedereröffnung aus. Um ihren derzeitigen finanziellen Ausfall zu überbrücken, hat sie bei ihrer Versicherung einen Betriebskostenausfall gemeldet. Bis sie davon Geld bekommt, sei aber auch eine Frage der Zeit, befürchtet Nina.
Selbst Stunden nach Verlassen der Kneipe liegt der Brandgeruch noch in der Nase – dieser vergeht. Für Nina wird er wahrscheinlich nie vergehen, und mit ihm auch die schrecklichen Bilder ihrer zerstörten Kneipe mit persönlichen Erinnerungen und unwiederbringlichen Errungenschaften.