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Chefs Culinar

„Nachhaltigkeit ist eine Übung in langfristigem Denken“

Der Lebensmittel-Großhandel Chefs Culinar arbeitet beim Thema Nachhaltigkeit nicht nur an den eigenen Abläufen, das Unternehmen bietet mit der Marke Chefs Value zusätzlich unterschiedliche Beratungsleistungen für Kunden an. Ein Gespräch über Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und neue Technologien

28. Februar 2025 von Johanna Zobel

Nachhaltigkeit ist für Chefs Culinar ein wichtiges Thema / ©Unsplash/Noah Buscher
Nachhaltigkeit ist für Chefs Culinar ein wichtiges Thema / ©Unsplash/Noah Buscher

Rebecca Peterson-Perry, Sarah Knuplez, Jürgen Herbst, wann wurde Nachhaltigkeit bei Chefs Culinar zum Thema?

Rebecca Peterson-Perry: Zunächst muss man zwischen unserer unternehmerischen Nachhaltigkeit und unseren Nachhaltigkeits-Dienstleistungen unterscheiden. Es gibt bei Chefs Culinar schon seit längerer Zeit viele Nachhaltigkeits-Initiativen, aber erst in den letzten zwei, drei Jahren wurden diese zunehmend in die strategische Entscheidungsfindung integriert. Das zeigt die Bedeutung dieses Themas im Unternehmen. Themen wie Energieeffizienz sind schon länger präsent. Selbstverständlich war diese Handlungsweise in den ersten Jahren überwiegend dadurch geprägt, dass dieses Thema nicht nur in die Umwelt, sondern auch in die eigene Wirtschaftlichkeit einspielt. Nachhaltigkeit ist eine Übung in langfristigem Denken.

Sarah Knuplez: Nach dem ursprünglichen Verständnis von Nachhaltigkeit kann man durchaus sagen, dass Chefs Culinar von Beginn an von Nachhaltigkeit geprägt war. Als Familienunternehmen ging es immer darum, Betriebe langfristig und zuverlässig zu versorgen. Allein sein 100-jähriges Jubiläum zeigt, wie beständig und damit nachhaltig das Unternehmen ist. Seither versorgt Chefs Culinar unzählige Betriebe, darunter zahlreiche soziale Betriebe aus dem Gesundheitssektor und bietet national über 10.000 Arbeitsplätze.

In welchem Zusammenhang stehen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit?

Jürgen Herbst: Grundsätzlich gehen diese Themen Hand in Hand. Wirtschaftlichkeit schafft die Grundlage für nachhaltige Maßnahmen: Nachhaltigkeit ruht auf den drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Doch langfristig kann sie nur erfolgreich im Unternehmen verankert werden, wenn wirtschaftliche Stabilität gegeben ist.

Wie sieht Nachhaltigkeit bei Chefs Culinar in der Praxis aus?

Rebecca Peterson-Perry: Ein großes Thema für uns ist wie bereits erwähnt die Energieeffizienz. Da ist in den letzten Jahren viel passiert. Wir bauen nach den höchsten Standards der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB Gold), wir haben alle Flurförderzeuge (FFZ) elektrifiziert, die letzten Standorte werden 2025 auf LED umgesetzt. Wir setzen klimafreundliches Kältemittel ein und haben ein Drei-Kammer-System für unsere Lkws.

Wie steht es um die Transportfahrzeuge, fahren die elektrisch?

Rebecca Peterson-Perry: Das ist die größte Herausforderung für die Logistikbranche allgemein. Wir nutzen aktuell noch fossile Energieträger, da es bisher nicht viele alternative Antriebe für unseren Bedarf, besonders in Bezug auf die Kühlung und Reichweite, gibt. Die Infrastruktur muss mitziehen. Es steht die große Frage im Raum: „Wann können wir unsere Flotte elektrifizieren beziehungsweise welche Alternativen gibt es?“ So haben wir bereits vor fast zwei Jahren Wasserstoff betriebene Lkws bestellt, die jedoch aufgrund von Lieferengpässen noch nicht ausgeliefert werden konnten. Aber seit 2023 sind die ersten Hybrid-Lkws im Einsatz – und in diesem Jahr heißen wir die ersten vollelektrischen sowie wasserstoffbetriebenen Lkws in unserer Flotte willkommen. Langfristig verfolgen wir die schrittweise Umstellung auf nachhaltige Antriebstechnologien. Uns ist aber auch der soziale Aspekt von Nachhaltigkeit sehr wichtig. Das spiegelt sich darin, dass viele Mitarbeiter Jahrzehnte im Unternehmen bleiben. Letztes Jahr wurden wir sogar als Top-Ausbilder ausgezeichnet.

Was steckt hinter den anfangs genannten Nachhaltigkeits-Dienstleistungen?

Jürgen Herbst: Unter der Marke Chefs Value vereinen wir Leistungen in vier unterschiedlichen Bereichen: Consult (Beratung von Unternehmen), Campus (Schulungen, Trainings etc.), Concept (Entwicklung von ganzheitlichen Konzepten für die Verpflegungsbranche) und Digital (Softwarelösungen Lina und JomoSoft). Gemeinsam mit dem Zertifizierungsunternehmen GreenSign haben wir unseren V Score Green entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein Online-Tool zur Selbsteinschätzung von Betrieben, in dem unsere Kunden insgesamt 140 Fragen in zehn Kategorien beantworten, um zu erfahren, wo sie gegebenenfalls noch Verbesserungspotenzial in Bezug auf Nachhaltigkeit im Unternehmen besteht.

Wie wird das angenommen?

Jürgen Herbst: Wir haben unterschiedliche Betriebstypen, die den V Score Green nutzen können: Hotellerie, Gastronomie, Betriebsverpflegung/Catering und Verpflegungsbetriebe im Care-Segment.  Wir haben den V Score Green in den vergangenen Monaten mit einigen Kunden getestet und werden in den kommenden Wochen damit beginnen, das Produkt aktiv zu vermarkten. Bisher war das Feedback aber sehr positiv und hat den Betrieben sehr weitergeholfen.

Und, wie nachhaltig sind Ihre Kunden?

Jürgen Herbst: Die ersten Ergebnisse sind gut. Viele Kunden sind selbst überrascht, wie gut sie schon abschneiden, da auch die soziale Säule der Nachhaltigkeit und wirtschaftliches Handeln eine große Rolle spielen, nicht nur Maßnahmen zum Umweltschutz.

Rebecca Peterson-Perry, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Chefs Culinar / ©privat
Rebecca Peterson-Perry, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Chefs Culinar / ©privat
Sarah Knuplez, Expertin für Nachhaltigkeit bei Chefs Value / ©privat
Sarah Knuplez, Expertin für Nachhaltigkeit bei Chefs Value / ©privat
Jürgen Herbst, Experte für Wirtschaftlichkeit & Nachhaltigkeit bei Chefs Value / ©Chefs Culinar
Jürgen Herbst, Experte für Wirtschaftlichkeit & Nachhaltigkeit bei Chefs Value / ©Chefs Culinar

Inwiefern lohnt es sich für Chefs Culinar, Nachhaltigkeit an die Kunden zu vermitteln?

Sarah Knuplez: Es ist extrem wichtig, da viele unserer Kunden (vor allem Betriebe in der Care-Verpflegung) durch die CSRD-Richtlinie zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind. Das ist für die Einhaltung der Compliance und den Wettbewerb wichtig, aber auch für die generelle Positionierung am Markt. Die Wirtschaft und Bedürfnisse der Tischgäste ändern sich und die Betriebe müssen dafür sorgen, dass sie auch mit den neuen Anforderungen langfristig bestehen können. Wir möchten unsere Betriebe dabei unterstützen, sich weiterhin durch nachhaltige Innovationen, aber auch durch altbewährte nachhaltige Praktiken zukunftsfest aufzustellen.

Rebecca Peterson-Perry: Wir sehen, dass unsere Beratungsdienstleistungen vom Kunden gewünscht werden. Die fragen uns auch gezielt danach, welche Lösungen wir anwenden. Es ist wichtig, dass wir alle unsere Themen zusammenbringen, um zu zeigen, was wir konkret machen. Nur so können wir eine positive Wirkung erzielen und die negativen Auswirkungen des Ressourcenverbrauchs verringern. Große Unternehmen haben negative Umweltauswirkungen – das ist Fakt. Wir haben aber die Verantwortung und Verpflichtung, diese zu lindern und offenzulegen.

Food Waste ist im Gastgewerbe ein großes Thema. Beraten Sie auch hierzu?

Sarah Knuplez: Wir bieten unseren Kunden einen Speise-Rücklaufquoten-Rechner auf unserer Website an. Damit können Abfälle selbst gemessen werden. Die Kunden füllen Abfälle in einen Eimer, wiegen diesen und dokumentieren die Ergebnisse. Eine solche Speiseabfallerfassung gibt allerdings keine Auskunft darüber, welche Lebensmittel tatsächlich entsorgt werden. Um genauere Informationen bezüglich des Speiseabfalls zu erhalten, arbeiten wir mit dem Schweizer Unternehmen Kitro zusammen. Bei Kitro handelt es sich um eine moderne Lösung zur Messung und Überwachung von Lebensmittelabfällen. Kitro erfasst jeden weggeworfenen Artikel und erkennt ihn mit künstlicher Intelligenz. So können problematische Abfallbereiche identifiziert und gemeinsam mit dem Kitro-Team gezielte Maßnahmen umgesetzt werden, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren und Kosten zu sparen.

Nutzen viele Unternehmen Kitro?

Jürgen Herbst: Wir bekommen sehr regelmäßig Anfragen von unseren Kunden und stehen im regelmäßigen Austausch mit dem Unternehmen Kitro.

Sarah Knuplez: Ich bin überzeugt, dass Lebensmittelabfälle ein immer größeres Thema sein werden. Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die Politik sind bei diesem wichtigen Thema hinterher. Zwei wichtige Teilbereiche von Nachhaltigkeit sind nun mal Energiemanagement und Abfallmanagement – und Speiseabfälle sind eine große Sparte des Abfallmanagements.

Rebecca Peterson-Perry: Auch wir schauen bei uns, dass nicht zu viel weggeworfen wird. Wir steuern das über optimierte Prozesse und top Qualitätsmanagement. Wenn Waren kurz vor dem Ablauf sind, reduzieren wir sie und bieten sie verstärkt an.

Wie sehen die Pläne von Chefs Culinar für die kommenden Jahre aus?

Rebecca Peterson-Perry: Wir bauen viel – auch unsere eigenen Produktionsstätten – und nutzen die Gelegenheit, Nachhaltigkeit von Anfang an in diese Projekte zu integrieren. Besonders bei den Eigenmarken sehen wir große Chancen, zum Beispiel bei der Auswahl von Verpackungsmaterialien Einfluss zu nehmen. Wir wollen die Nachhaltigkeitsstrategie und die allgemeine Geschäftsstrategie immer weiter verankern zu einer gemeinsamen Strategie. Da sind wir noch dabei, das ist ein langfristiger Prozess. Nachhaltigkeit ist generell ein langfristiger Prozess.

Sarah Knuplez: Wir werden auf jeden Fall fortlaufend das Beratungsangebot ausbauen und weitere Maßnahmen zur praktischen Umsetzung entwickeln. Die kommenden CSRD-Berichte der Betriebe werden uns ebenso mehr Aufschluss darüber geben, was unsere Kunden noch brauchen.

Jürgen Herbst: Ziele sind auch abhängig von der Entwicklung der Branche. Bei Chefs Culinar und Chefs Value fühlen wir uns verantwortlich, Betriebe nachhaltig zu unterstützen, damit sie langfristig am Markt erfolgreich bleiben. Für uns ist genau das gelebte Nachhaltigkeit.


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Johanna Zobel ist immer für ein ausgiebiges Abendessen mit Freunden in gemütlichen Restaurants zu haben. Ein perfekter Abend endet für sie mit einem Absacker in einer typischen Hamburger Eckkneipe.