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Genuss-Michel 2024

Jurorin undercover: Anke Harnack

Ohne sie gäbe es keine besten Newcomer und keine Restaurants des Jahres: Schließlich nehmen unsere externen und unabhängigen Food-Experten die Nominierten noch einmal genau unter die Lupe und entscheiden über den Gewinner. Schon seit vier Jahren als Jurorin dabei: Moderatorin Anke Harnack

16. April 2024

Seit vier Jahren als Jurorin für den Genuss-Guide im Einsatz: Anke Harnack / ©
Seit vier Jahren als Jurorin für den Genuss-Guide im Einsatz: Anke Harnack / ©

Anke, was reizt dich an dieser Aufgabe?

Ich fange mal mit dem egoistischen Grund an: Weil ich auf die Weise meine Komfortzone verlassen muss und auch in Restaurants gehe, die ich bisher nicht kenne. Und ich bin noch nie schwer enttäuscht worden. Es sind immer bereichernde Einblicke.

Der zweite Grund: Mir gefällt, dass wir in der Jury wirklich streiten und diskutieren. Es ist jedes Mal eine echte Chance, auch überraschende Gewinner zu küren. Es gibt keine vorgefertigte Entscheidung und keine Beeinflussung von außen. Es geht also nicht darum, wer besonders gute Anzeigenkunden sind oder sonstiges! Man könnte sich ja viele Gründe ausdenken, warum jemand gewinnen muss. Das passiert hier aber nicht. Wir sitzen in Juryrunden zusammen und machen uns die Entscheidungen nie leicht und diskutieren immer leidenschaftlich. Allein diese Runden sind toll. Und dann das Gefühl, zu wissen: Man hat für Hamburgs Gastroszene was getan. Und für Menschen, die gerne essen gehen.

Was war deine schönste Überraschung? 

Oh ja, das war im vergangenen Jahr dann auch der Gewinner: Erstens fand ich den Namen – Der erdbeerfressende Drache – so toll und zweitens war es wirklich eine Offenbarung, dort essen zu gehen. Das war so unglaublich kreativ, so überraschend und gleichzeitig so barrierefrei. Es hatte nichts Formelles, sondern war ziemlich casual. Ein unglaubliches Preis-Leistungs-Verhältnis und bei jedem Gang das große Staunen. Das war also wirklich toll. Ähnlich übrigens 2022 das Haco, das ja leider geschlossen hat. Das waren sogar zehn Gänge. Also in den Erdbeerfressenden Drachen kannst du auch gehen, um mal nur schnell zwei so kleine Gänge zu essen.

Was bewunderst du besonders daran?

Zu sehen, was Menschen aus einer Spargelstange zaubern können. Wie viel Leidenschaft da schon in die Auswahl der Produkte fließt. Und wie simpel richtig gutes Essen funktionieren kann.

Worauf legst du besonders Wert, wenn du essen gehst?

Jetzt mal nur auf das Essen bezogen, mag ich das Simple. Zu sehen, wie Menschen eine Rote Bete verzaubern. Ich brauch gar nicht so wahnsinnig viel Deko und Schnickschnack. Wenn man sieht, da hat sich jemand richtig Mühe gegeben, aus einer rohen Zutat ein Juwel zu machen, das mag ich sehr. Das braucht keine Sterneküche zu sein, sondern einfach ein Handwerk, das jemand gut beherrscht.

Ich mag gerne Fokus und kleine, überschaubare Karten, Wenn ich umblättern muss, ist es mir eigentlich schon zu viel. Also mir würde es genügen, die machen fünf oder sechs Gerichte und die machen sie gut. Und dann kann ich auf alles andere verzichten.

Wir machen uns die Entscheidung nie leicht und diskutieren leidenschaftlich 

Gibt es ein Erlebnis, das dir in Erinnerung geblieben ist? Vielleicht auch etwas sehr Unterhaltsames oder etwas sehr Besonderes?

Durchaus. Ich gehe ja regelmäßig mit Kind essen. Also es gibt natürlich Restaurants, da würde ich mit meinem Kind auch nicht hingehen, weil ich weiß, da bestrafe ich mich selbst. Aber andere sind gut darauf vorbereitet und die Art, wie mit Kindern umgegangen wird, sagt viel über das Restaurant aus. Also ich gebe dir mal zwei Beispiele: Beim Erdbeerfressende Drache war ich mir überhaupt nicht sicher und hab vorher per Mail nachgefragt. Dann hat mir der Chef selbst geschrieben, sie seien eher ein Restaurant für kulinarisch erfahrene Gäste. Damit war klar: ein Kind lieber nicht. Das fand ich einen sehr wertschätzenden Umgang damit. Man hat ja nicht geschrieben, dass sie nicht erwünscht sind – vielleicht hat ein Sechsjähriger noch nicht das kulinarische Know-how, um sich hier gut zu fühlen.

Dann waren wir im selben Jahr im Restaurant Am Kai. Da haben die das Kind behandelt wie einen König. Er war natürlich das einzige Kind. Aber sie waren auf ihn vorbereitet. Die machen sich für ein Kind echt Mühe. Tolles Geschirr und das Essen sieht nicht so aus wie Kindergerichte sonst leider oft aussehen. Sondern richtig appetitlich. Da gehe ich gerne essen. Dann habe ich das Gefühl, hier ist eine ganze Familie willkommen.

Kinder im Restaurant. Was ist wichtig, damit sich alle wohl fühlen?

Es gibt bestimmte Kulturen, da wird gar nicht diskutiert. Da sitzen Kinder selbstverständlich mit am Tisch. Wenn du zum Italiener gehst, ist das Kind immer willkommen, egal wie viel du am Ende da auf der Rechnung hast. Das macht was aus, wenn du in Restaurants kommst und du hast das Gefühl, hier kann eine ganze Familie gut sein, ohne dass es gleich ein Vergnügungspark ist. Wenn du das Gefühl hast, alle sind willkommen und du eine gewisse Flexibilität spürst, eine bedingungslose Gastfreundschaft und Herzlichkeit – dann ist es perfekt.

Ich bin fest davon überzeugt: Ein Kind, das früh lernt, sich auf so einem Parkett sicher zu bewegen, wird das auch in der Pubertät gut können und als Erwachsener auch ein guter Gast sein.

Die Gastro in Hamburg ist sehr vielfältig. Gerade wenn wir auf die jetzige Situation und Stimmung in Deutschland schauen. Wie wichtig ist es, dass wir eine Gastronomie haben, die diese Vielfalt widerspiegelt?

Ich finde das unheimlich wichtig. Du siehst es ja auch daran, wer in einer Weltstadt wie Hamburg Platz hat. Die guten Küchen sind doch überall auf der Welt die, die sich nähren aus ganz vielen Einflüssen. Stell dir mal vor, wir würden in Hamburg bis heute nur Aalsuppe und Labskaus servieren. Das wäre doch nicht das Hamburg, das wir lieben. 

Also die Liebe geht durch den Magen? Auch im Zusammenhang mit verschiedenen Kulturen?

Ja, ich glaube schon. Wie eintönig wäre eine Stadt, in der du immer nur Fischbrötchen und Currywurst essen kannst?! Wir lieben doch die Vielfalt und auch das, was wir daraus machen. Es würde mich gar nicht wundern, wenn es in dieser Stadt jemand gäbe, der schon mal Labskaus in Sushi gerollt hat.

Eine abschließende Frage: Warum braucht es den Genuss-Guide für Hamburg?

Blätter doch einmal durch: Der Genuss-Guide ist die Bibel. Ich würde mich doch niemals aus meinem Stadtteil wegbewegen, wenn es da nicht Experten gäbe, die für mich die Restaurants testen und mir darüber berichten. Auf den über 450 Seiten kann ich so viele unterschiedliche Restaurants entdecken. Die vielen verschiedenen Kategorien, die vielen Küchen der Welt. Das ist toll!

Dazu passt der Genuss-Michel als Preis und besonderes Highlight. Eine tolle Wertschätzung für Menschen, die einen tollen Job machen.

Interview: Stefanie Kastell